Jan 232013
 
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Der Erfolg von Massnahmen zur Kompetenzentwicklung hängt nicht nur von Aspekten des (transferorientierten) didaktischen Designs ab, sondern auch von verschiedenen organisatorischen Aspekten. Als besonders wichtige organisatorische Erfolgsfaktoren werden häufig die Möglichkeit, neu erworbene Kompetenzen unmittelbar anzuwenden, und die Unterstützung durch Vorgesetzte in der Transferphase heraus gestellt. Weniger häufig wird das Augenmerk auf Verfahren zur Auswahl geeigneter Teilnehmender gerichtet.

Eine aktuelle Publikation (Gadeceau 2012) beleuchtet diesen Aspekt genauer. Ausgehend von der Erfahrung, dass Programme mit Teilnehmenden besetzt werden, die nicht das entsprechende Vorwissen oder die Möglichkeit unmittelbarer Umsetzung des Gelernten am Arbeitsplatz mitbringen, werden verschiedene Auswahlprozeduren behandelt. Darüber hinaus wird ein Raster mit Empfehlungen für Auswahlverfahren entwickelt.

Um die für eine Entwicklungsmassnahme optimale Zusammensetzung von Teilnehmenden  zu erreichen können nach Gadeceau unter anderem folgende Kriterien herangezogen werden:

  • Umfang der Vorkenntnisse / bereits verfügbaren Kompetenzen (z.B. Anfänger vs. Fortgeschrittene);
  • Erfahrungen im Arbeitsfeld (z.B. neue Mitarbeitende vs. erfahrene Mitarbeitende);
  • Alter der Teilnehmenden (z.B. junge vs. reifere Mitarbeitende);
  • Kultureller Hintergrund (z.B. Beschäftige aus Niederlassungen in Europa vs. Asien);
  • Geschlecht der Teilnehmenden;
  • Motivation zum Erreichen der mit der Massnahme verbundenen Ziele;
  • Bereitschaft zur Umsetzung der geplanten Vorbereitungsaufträge und Transferaufträge.

Gadeceau entwickelt dann ein Tableau zu geeigneten Auswahlverfahren, wobei er die Ausprägungen von drei Rahmenbedingungen abhängig macht:

  1. die erforderliche Präzision bei der Auswahl der Teilnehmenden;
  2. die Entscheidungsbefugnisse der Programmleitung bei der Auswahl der Teilnehmenden;
  3. die Akzeptanz für die Massnahme (buy-in) auf Seiten der Teilnehmenden und deren Vorgesetzten.

So legen, beispielsweise, eine beschränkte Anzahl von Plätzen, eine hohe Entscheidungsbefugnis der Programmleitung im Selektionsprozess und eine hohe Akzeptanz der Teilnehmenden (sowie deren Vorgesetzten) für das Programm eine intensive Selektion der Teilnehmenden nahe (vgl. Tabelle).

Erforderliche Präzision bei der Auswahl Entscheidungs-befugnisse der Programm-leitung Akzeptanz für die Massnahme (Teilnehmende & Vorgesetze) Beispiele Empfohlenes Auswahl-verfahren
hoch hoch hoch Intensive Selektion der Teilnehmenden
Eng beschränkte Anzahl von Teilnehmenden Nominierung ausschliesslich durch Programm-leitung Angebot von Nachfragern gefordert / hohe Akzeptanz für Angebot Führungskräfte-entwicklungs-programm Auswahl auf der Grundlage von diagnostischen Verfahren (Tests)
Genau definierte Zielgruppe Alle Anspruchs-gruppen halten das Angebot für sinnvoll Experten-Workshop Online-Vorbereitungs-
modul muss absolviert sein
Breit definierte Zielgruppe Vertreter der Zielgruppe wurden in Konzeption / Ausrichtung der Massnahme eingebunden Organisations-weites Training Anmelde-formular
Gesamte Belegschaft als Zielgruppe Entscheidung zur Teilnahme wird an entsendende Organisations-einheiten delegiert Jeder, der Teilnehmen möchte, darf teilnehmen Informations- und Sensibili-sierungs-programme Keine Selektion der Teilnehmenden
niedrig niedrig niedrig Keine Selektion der Teilnehmenden

 

Das von Gadeceau entwickelte Raster bietet eine einfache Möglichkeit für eine erste Einordnung einer Entwicklungsmassnahme und für die Identifikation von geeigneten Verfahren zur Auswahl von Teilnehmenden. Eine Beschränkung des Modells besteht allerdings in der implizit enthaltenen Unterstellung, die drei berücksichtigten Rahmenbedingungen sind gleichermassen hoch oder niedrig ausgeprägt. Interessant wären im Anschluss daran empirische Ergebnisse dazu, wie stark sich eine gelungene / nicht gelungene Auswahl von Teilnehmenden auf den Transfererfolg und den Wertbeitrag einer Bildungsmassnahme auswirken.

 

Gadeceau, J.-F. (2012). Selection for participation in training and its potential effect on transfer: encouraging good practice. International Journal of Training and Development, 16(2), 137–144. http://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/j.1468-2419.2012.00398.x/abstract

 

Weitere Verfahrensweisen zur Sicherung von Transfererfolg und Wertbeitrag bei Bildungsmassnahmen sind Gegenstand des scil Seminars “Bildungsprogramme mit Wertbeitrag realisieren”.

Jan 112013
 
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Unter dem Titel “Breaking the Mold on Blended Learning” haben Marie Eiter und Toby Woll (beide MIT Sloan Executive Education), eine interessante Unicorn Studie veröffentlicht. Unicon ist eine Member Organisation führender Business Schools, die sich im Bereich Executive Education austauschen. Die Autoren haben eine Umfrage der UNICON member schools durchgeführt, ergänzt um vertiefende Telefon- und face-to-face interviews. Die Ergebnisse der Studie sind daher angereichert mit vielen interessanten Kurz-Beispielen: IMD, Harvard, Columbia University oder Wharton Business School zeigen Blended Learning Szenarien auf, deren Nutzen für die Teilnehmenden sich anscheinend erwiesen haben.

Der Report gibt viele Hinweise für die Umsetzung von Blended Learning, das Design der Programme muss abgestimmt werden, das Course Design und die Abstimmung zwischen Referenten, Third-party providers of IT services, etc., scheinen eine grosse Herausforderung zu sein. Die Autoren zeigen anhand eines pragmatischen Blended Learning Design Worksheet, wie es als nützliches Tool genutzt werden kann „to structure the program designers conversation: Through a series of questions, the Blended Learning Design Worksheet guides program designers in selecting robust designs, delivery mechanisms, and supporting technologies for each blended learning element.” Für einen  Leitfaden zur Umsetzung ist das Tool sicherlich zu generisch, aber es ist ein erster guter Ansatz, den man für den eigenen Kontext konkretisieren könnte.

Der Report stellt ferner einen “Blended Learning Design Rubric” vor, als Standard um Blended Learning Elemente kritisch zu prüfen, die in ein Programm eingebettet werden. Die drei Kriterien des Assessments sind: focus, trust, and ease of use. Das sind zwar sicherlich keine neuen Erkenntnisse, welche die Autoren anhand der Interviews zu Tage brachten. Aber den Ansatz, bereits bei der Entwicklung viel expliziter bereits mit einem Rubric zu arbeiten und eine formative Evaluation intensiver zu betreiben, um die Umsetzung zu unterstützen, halte ich für sehr interessant.

Am Schluss endet der Report mit einer Anzahl kritischer Erfolgsfaktoren und Support Systemen, die notwneding sind, um Blended Learning Programme erfolgreich durchzuführen. Hier zeigt sich, dass Executive Education sich nicht allzusehr von üblichen Weiterbildungsprogrammen zu unterscheiden scheint.

Blended Learning scheint in den renommiertesten Top Business School angekommen zu sein   so langsam scheint es zum Mainstraim zu werden -> “The importance of blended learning is clear,” said Shedden, who also serves as Director of the Centre for Customised Executive Education at the Cranfield School of Management. “We urge all university-based executive education programs to strategically embrace blended learning.”

“Most importantly, schools should run experiments – learning from their experience and from their participants – and then redesign based on results, looking for possible cross-fertilization between blended elements and existing face-to-face programs. Finally, schools must think ahead to the millennium generation, to programs that are entirely virtual, and to the next wave of technology,” the report concludes.

The UNICON research report ist verfügbar auf UNICON website unter http://www.uniconexed.org.

Jul 302012
 
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Mit Blick auf unser Fokusseminar „Wertbeitrag von Bildungsprogrammen aufzeigen“, das Anfang Oktober in St.Gallen stattfindet, hatte ich mir das 2006 erschienene Buch „The six disciplines of breakthrough learning“ von Wick, Pollock, Jefferson und Flanagan ins Urlaubsgepäck eingepackt. Die Autoren führen zusammen mit der American Association for Training and Development (ASTD) regelmässig Workshops zu den „Six Disciplines“ durch. Calhoun Wick, der Erstautor des Buches, ist auch Gründer und Chairman der Fort Hill Company, die Unternehmen und Organisationen dabei begleitet, Personal- und Führungskräfteentwicklung in greifbare Geschäftserfolge umzumünzen und dazu auch ein elektronisches Unterstützungssystem (ResultsEngine ™) entwickelt hat.

Ausgangspunkt der Argumentationskette im Buch ist folgender Gedanke: „Learning and development programs are investments by a company in its workforce. Management has fiduciary and ethical responsibility to ensure that those investments produce a return: results that increase enterprise value.“ Die Autoren haben dabei primär Programme der Führungskräfteentwicklung im Blick. Aber das von ihnen entwickelte Rahmenmodell und die einzelnen Arbeitsschritte sind auch für andere Trainingsangebote und Zielgruppen relevant.

Die ‚Six Disciplines‘ umfassen folgende Phasen und Schritte:

1.     Geschäftsrelevante Ergebnisse definieren & Erwartungen managen

  • klaren Bezug zwischen Entwicklungsprogramm und Geschäftszielen herstellen
  • überprüfbare / messbare Erfolgskriterien definieren
  • realistische Erwartungshaltung der Kunden (Auftraggeber, Teilnehmende, Vorgesetzte der Teilnehmenden) erreichen

2.     Gesamtprozess gestalten

  • systematischen Zusammenhang der Aktivitäten vor, während und nach dem Training erreichen
  • die Bedeutung der Auftraggeber und der Vorgesetzten sowie Kollegen der Teilnehmenden für den Transfererfolg angemessen berücksichtigen
  • das Erreichen von Geschäftsergebnissen (und nicht lediglich den Abschluss des Trainings) als Ziel vor Augen haben

3.    Die Massnahme auf Anwendung ausrichten

  • jedes Element des Lehrgangs / Trainings auf die verfolgten Geschäftsziele / angestrebten Geschäftsergebnisse ausrichten
  • Teilnehmende bei der Formulierung von Zielen für Transfer und Anwendung unterstützen
  • Teilnehmenden aufzeigen, wie sie ihre Lernerfahrung im Arbeitsalltag umsetzen können

4.    Transfer & Umsetzung vorantreiben

  • klare Erwartungen an die Umsetzung durch die Teilnehmenden etablieren
  • mit Teilnehmenden regelmässig über Umsetzungsaufgaben und Umsetzungserfolge kommunizieren
  • Vorgesetzte der Teilnehmenden aktiv einbinden
  • Verantwortung für Umsetzung und positive ebenso wie negative Konsequenzen etablieren

5.    Unterstützungsmassnahmen realisieren

  • Aufmerksamkeit für Transferziele und Unterstützung des Erreichens dieser Ziele auf verschiedenen Management-Ebenen verankern
  • Trainer als Begleiter / Unterstützer veränderten Verhaltens am Arbeitsplatz
  • Peer-Coaching unter den Teilnehmenden ermöglichen / anstossen
  • praktische Arbeitshilfen für die Umsetzung am Arbeitsplatz anbieten

6.    Ergebnisse dokumentieren

  • Verhaltensänderungen und wirtschaftliche Effekte dokumentieren
  • Ergebnisse zielgruppenspezifisch aufbereiten und kommunizieren

Das Buch liefert nichts revolutionär Neues. Und bei den vorgeschlagenen Verfahren finden sich Dinge, die mir beispielsweise von Robert Brinkerhoff oder Jack Phillips vertraut sind. Aber das Gesamtmodell und die Ausarbeitung ist systematisch und es finden sich eine Reihe von nützlichen Arbeitshilfen. Gut gefallen haben mir beispielsweise eine Matrix mit Anspruchsgruppen und erforderlichen Aktivitäten zur Realisierung von Transfererfolg in den Phasen „vor“, „während“ und „nach“ dem Training; gefallen hat mir auch ein Arbeitsblatt, mit dem Teilnehmende beim Herstellen von Verbindungen zwischen zentralen Lerninhalten und eigenem Vorwissen, anderen zentralen Konzepten eines Lehrgangs, Anwendungsmöglichkeiten im Alltag sowie erforderlichen Veränderungen bei sich selbst unterstützt werden. Aus meiner Sicht ist dies ein gutes Buch, um einen Gesamtüberblick zu Fragen des Transfermanagements zu bekommen. Der Fokus liegt aber ganz klar auf der Organisation und dem Management von Trainingsprozessen, weniger auf didaktischen Aspekten der Gestaltung von Bildungsprogrammen.

Zusammenfassungen des Buchs finden sich übrigens auch bei ASTD und bei getabstract.

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Wick, C. W., Pollock, R. V. H., Jefferson, A. M., & Flanagan, R. D. (2006). The Six Disciplines of Breakthrough Learning: How to Turn Training and Development into Business Results. San Francisco: Pfeiffer.

Jul 272012
 

Fallstudien zum erfolgreichen Einsatz von Web 2.0
in Unternehmen

Das Web 2.0 birgt für Unternehmen grosse Potenziale ihr Wissen zu managen. Begriffe wie „Enterprise 2.0“ oder „Corporate Web 2.0“ sind längst nicht mehr neu. Diese Trends werden in der Praxis bereits erkannt, doch es mangelt noch an fundierter Literatur, die Bildungsverantwortlichen Unterstützung bieten, es gezielt für ihr Wissensmanagement zu nutzen.

Wie kann Web 2.0 in Unternehmen wirkungsvoll eingeführt und eingesetzt werden?
Die Publikation „Wissenstransfer mit Wikis und Weblogs. Fallstudien zum erfolgreichen Einsatz von Web 2.0 in Unternehmen“ richtet sich vor allem auch an Praktiker, die sich diese Frage stellen. Zum einen wird auf die Begriffe eingegangen und so ein Überblick der Thematik gegegeben. Zum anderen werden elf umfangreiche Fallstudien deutschsprachiger Unternehmen vorgestellt, aus denen interessante Erkenntnisse hervorgehen. Dabei bieten handlungsleitende Prinzipien bzgl. Erfolgsfaktoren, Einsatzmöglichkeiten und -grenzen Entscheidern eine Hilfestellung, Web 2.0-Projekte – vor allem Wikis und Weblogs, aber auch soziale Netzwerke und Microblogging – effektiver und effizienter durchzuführen.