In Bezug auf die – in meinem vorhergehenden Blog aufgeworfenen – Fragen “Wie könnte ein Reverse Mentoring-Konzept auf SEK II-Stufe ausgestaltet sein?” und “Existiert ein Bedarf bei Lehrpersonen oder auch Schulleitern für eine derartige Weiterbildungsmöglichkeit?” kann Folgendes festgehalten werden:
Das Gedankengut des Reverse Mentoring-Konzepts stellt eine potentielle neue und informelle Lern- und Entwicklungsoption für Lehrpersonen dar und stösst im schulischen Kontext durchaus auf Interesse. Doch eine Implementierung will gut überlegt sein. Insbesondere weil das Reverse Mentoring und seine Durchführung nicht ganz genau definiert sind. Soll die Teilnahme an einem schulinternen Reverse Mentoring-Programm beispielsweise obligatorisch für alle Lehrpersonen sein? Werden fixe Termine und Themen zur Bearbeitung vorgegeben? Können die Tandems eigenständig gebildet werden oder wird top-down zugeteilt?
Nebst diesen konkreten Fragestellungen zur Ausgestaltung einer solchen informellen Kompetenzentwicklungsoption ist auch abzuklären, ob denn überhaupt ein reales Bedürfnis sowie Bedarf nach Reverse Mentoring im Schulkontext besteht. Genau dies versuchte ich durch Interviews mit Schulleitern wie auch Lehrpersonen der SEK II-Stufe in der Region Ostschweiz herauszufinden. Aufgrund der Tatsache, dass die mannigfachen Anforderungen an Schulen im Allgemeinen und insbesondere auch an die Schulleitung und die Lehrpersonen vermehrt zunehmen und es Lehrpersonen häufig an der Zeit fehlt, konkrete formelle Weiterbildungsangebote zu besuchen (Seufert, 2012, S. 36), habe ich im Rahmen der Interviews auf reges Interesse am Reverse Mentoring gehofft. Und tatsächlich, die Interviewpartner zeigten sich positiv auf das Thema gestimmt. Es kann festgehalten werden, dass das Reverse Mentoring – unter gewissen Vorbehalten – durchaus eine erfolgversprechende Möglichkeit bieten könnte, um die informelle Weiterbildung von Lehrpersonen um ein Element erweitern zu können. So haben die Interviewpartner das Gedankengut des Reverse Mentoring generell als positiv quittiert. Besonders die Möglichkeit zur Reflexion des eigenen Unterrichts, dem Gewinnen von neuen Erkenntnissen durch andere Personen und die Möglichkeit sich austauschen zu können ist positiv angekommen. Durch die Gespräche wurden jedoch auch Wünsche sichtbar, die gewisse Optimierungen oder auch Abweichungen vom klassischen Reverse Mentoring – für den konkreten Einsatz im Schulkontext – durchaus erfordern. So sind insbesondere folgende Punkte zu beachten:
- Ein Reverse Mentoring-Programm wird vorwiegend dann als nützlich beurteilt, wenn genaue Zielvorgaben für die Durchführung bestehen. Von Seiten der Schulleiter wie auch aus Sicht der Lehrpersonen ist die Zielorientierung somit essentiell für eine erfolgversprechende und erwünschte Durchführung. Als übergeordnete Zielsetzung käme hierbei der gute Unterricht an und für sich in Frage, wobei zusätzlich auch noch spezifische Feinziele gefordert werden.
- Zwischenmenschliche Begebenheiten dürfen nicht unbeachtet bleiben. Gerade an einer Schule, die in unterschiedliche Fachbereiche aufgegliedert ist, sollen die Tandems sorgfältig und durchdacht gebildet werden. Harmonisieren die Partner nicht, wird der Output eines Reverse Mentoring als sehr gering eingestuft.
- Eine Durchführung soll erleichternd und nicht belastend für die Lehrpersonen wirken und als Hilfsmittel zur Bewältigung der steigenden Anforderungen eingesetzt werden. Insbesondere der Zeitbedarf ist genauestens abzuklären und einzuteilen.
Weiter zeichnet sich ab, dass ‘Reverse Mentoring’ als solches nicht den geeigneten Begriff für den Schulkontext darstellt. Er betont viel zu sehr eine einseitige Beziehungskonstellation, die so gar nicht intendiert und erwünscht ist. Vielmehr sollten der gemeinsame Austausch und das wechselseitige Profitieren von unterschiedlichen Erfahrungen und Kompetenzen vordergründig ersichtlich sein. Somit stellt sich mir die Frage, ob nicht eine treffendere Bezeichnung des Einsatzes der Reverse Mentoring-Grundidee im Schulkontext erforderlich ist?
Weiter ist eine Abgrenzung von bereits bestehenden Formaten wie zum Beispiel der kollegialen Beratung oder der Hospitation nötig. Welchen zusätzlichen Mehrwert bringt Reverse Mentoring (oder wie das Konzept künftig heissen soll) konkret?
Sicher ist, dass das Reverse Mentoring mit seinen Facetten generell gesagt ein spannendes Element zur Implementierung in den Schulkontext darstellt. Eine massgeschneiderte Lösung könnte durchaus Anklang bei den Schulen finden und ins Weiterbildungsprogramm aufgenommen werden.
In einem nächsten Schritt werde ich nun die Interviews mit den Schulleitern und Lehrpersonen systematisch auswerten. Dabei achte ich besonders auf geäusserte Bedürfnisse wie auch Hinweise zur Umsetzung. Was könnte ein tragfähiges Pilot-Konzept sein?
Also: Fortsetzung folgt…
Dazugehörige Quellen:
Seufert, S. (2012). Die digitale Revolution und die Evolution des Lehrens. Folio, 4, 36-37.