Ausgehend von einer Studie (The ASTD Competency Study) die im Mai veröffentlicht werden soll, hat eine Arbeitsgruppe der American Society for Training and Development (ASTD) eine Überarbeitung des bekannten Kompetenzmodells für Personalentwickler (training professionals) entwickelt. Das überarbeitete Kompetenzmodell wurde letzte Woche im Rahmen einer Webkonferenz von Jennifer Naughton (Senior Director, Credentialing, ASTD Certification Institute) und William J. Rothwell, (President, Rothwell & Associates, Inc. und Professor für Workforce Education and Development Program an der Penn State University) vorgestellt (ein Artikel dazu erschien bereits in der Januar-Ausgabe von T+D). Der Titel des Webinar lautete “Training and development competences: redefined for competitive advantage” und nach Angaben der Organisatoren hatten sich 1’800 Personen angemeldet.
Das bekannte bisherige Kompetenzmodell in der Form einer Pyramide geht auf das Jahr 2004 zurück. Es bestand aus Basiskompetenzen (“foundational competencies”), Kompetenzbereichen (“areas of expertise”) und Rollen für Personalentwickler. Zu den Basiskompetenzen zählten interpersonelle Kompetenzen, Geschäftskompetenzen sowie persönlichen Kompetenzen. Hinzu kamen insgesamt 10 Vertiefungsbereiche wie beispielsweise Lernprozesse gestalten, Wandel begleiten, Talentmanagement, Wissensmanagement und andere. Gemäss dem bisherigen Modell kamen diese grundlegenden und vertiefenden Kompetenzbereiche in vier Rollen für Personalentwickler zum Tragen: (1) Projektmanager, (2) PE-Spezialisten, (3) PE-Business Partner und (4) PE-Strategieentwickler.
Dieses Modell wurde in der Folge zwei Mal aktualisiert. Zuletzt wurde 2011 unter dem Eindruck der Entwicklungen im Bereich Web 2.0 und Social Media der Kompetenzbereich “social learning” hinzugefügt. Als Auslöser für die erneute und weitergehende Überarbeitung des Kompetenzmodells werden vier Entwicklungen angeführt:
- die tiefgreifende Rezession und die ökonomische Unsicherheit der letzten Jahre und der damit einhergehende verstärkte Kostendruck auf die Personalentwicklungsbereiche;
- Entwicklungen im digitale und mobile Technologien sowie das Social Web,
- demographische Entwicklungen und
- eine verstärkte Globalisierung.
Diese Entwicklungen haben dazu geführt, dass für Personalentwickler neue Kompetenzen wichtig werden, beispielsweise:
- bei neuen Technologien und Werkzeugen auf dem Stand bleiben und diese angemessen einsetzen;
- die Weiterentwicklung vom “Wissensvermittler” zum “Lernbegleiter”;
- das Unterstützen und Fördern einer Kultur der Vernetzung und des Austauschs – auch auf der Grundlage von social media;
- die Gestaltung von Lernprozessen, die Lernende in verschiedener Weise einbinden und aktivieren, an Stelle von einzelnen Trainings (vgl. den vorherigen Blogbeitrag zur “Kürsli-Denke”);
- neue Lernende (insbesondere jungen Menschen) und ihren Lerngewohnheiten integrieren;
- die Entwicklungsbedarfe einer zunehmend globalen Belegschaft antizipieren und bedienen;
- den Wert und die Geschäftsrelevanz von Personalentwicklung anhand von Leistungsindikatoren bestimmen und aufzeigen (nicht nur über eine Bestimmung des ROI, sondern auch über den Einsatz z.B. einer Balanced Scorecard und das Aufzeigen des ROE).
Das neue Kompetenzmodell unterscheidet wie bisher Basiskompetenzen und Kompetenz- bzw. Vertiefungsbereiche. Allerdings werden bei den Basiskompetenzen jetzt sechs Bereiche an Stelle von bisher drei Bereichen unterschieden:
- Geschäftskompetenzen
(u.a. Bedarf analysieren, ergebnisorientiert arbeiten, strategisch denken, Innovationen vorantreiben);
- globale Orientierung
(dies ist ein neuer Bereich; u.a. mit kulturellen Verschiedenheiten umgehen, unterschiedliche Perspektiven respektieren, Diversität nutzen);
- Branchenkenntnisse
(ebenfalls neu; diese beziehen sich sowohl auf den Bereich Personalentwicklung als auch auf die jeweilige Branche, in der das eigene Unternehmen aktiv ist);
- interpersonelle Kompetenzen
(u.a. effektiv kommunizieren, Netzwerke und Partnerschaften entwickeln);
- personelle Kompetenzen
(u.a. Anpassungsfähigkeit und persönliche Weiterentwicklung);
- Technologie- oder Medienkompetenzen
(ebenfalls neu; u.a. Übersicht über Technologien und deren effektive Nutzung).
Die Anzahl der Kompetenzbereiche (“areas of expertise” / Vertiefungsbereiche) ist konstant geblieben (10 Bereiche). Allerdings wurden die Bezeichnungen zum Teil angepasst. An die Stelle des 2011 neu eingeführten Bereichs “social learning” ist der Bereich “Lerntechnologien” getreten. Die Kompetenzbereiche sind jetzt wie folgt benannt:
- “Performance Improvement”
(u.a. Beteiligte einbinden, Leistungsprobleme identifizieren, Lösungsvorschläge entwickeln, Veränderungen beobachten);
- Didaktisches Design
(u.a. Bedarfsanalysen durchführen, ein Curriculum / Programm / eine Lernumgebung gestalten, Lehr-/Lernmaterialien gestalten, Lerntechnologien einsetzen);
- Durchführung von Trainings
(u.a. Ausrichtung der Gesamtlösung an den Zielen und den Bedürfnissen der Lernenden, Etablieren einer lernförderlichen Atmosphäre, Variation der Lernformen, konstruktives Feedback geben);
- Lerntechnologien
(u.a. Lerntechnologien für unterschiedliche Kontexten / Lernlösungen auswählen und effektiv einsetzen);
- Evaluation
(u.a. Kundenerwartungen identifizieren, Evaluationsplan kommunizieren und die Unterstützung der Kunden dafür gewinnen, Daten verwalten, analysieren und interpretieren, Empfehlungen ableiten);
- Programme managen
(u.a. Ziele, Strategie und Umsetzungsplan entwickeln, Budget entwickeln und überwachen, Teammitglieder und externe Personen führen);
- Integriertes Talentmanagement
(u.a. Talentmanagement an Organisationszielen ausrichten, Führungspersonen bei der Entwicklung ihrer Mitarbeitenden unterstützen, Nachfolgeregelungen entwickeln, Karriereübergänge begleiten, technische Systeme für Talentmanagement einsetzen);
- Coaching
(u.a. Coaching-Vereinbarungen abschliessen, Vertrauen aufbauen, entwicklungsförderliche Fragen stellen, Ziele und Entwicklungsschritte formulieren);
- Wissensmanagement
(u.a. Zusammenarbeit und soziales Lernen fördern, eine “Wissenskultur” etablieren, Infrastrukturen für Wissensmanagement etablieren, Erfolge evaluieren);
- Veränderungsmanagement
(u.a. Förderer und Treiber einbinden, Vereinbarungen treffen, Status diagnostizieren, Interventionen unterstützen, Ergebnisse evaluieren).
Mit dem Verzicht auf die Darstellungsform einer Pyramide soll dem Missverständnis entgegen gewirkt werden, dass die einzelnen Kompetenzbereiche nach ihrer Bedeutsamkeit angeordnet sind. Mit dem im Innenraum verbundenen Zehneck wird bewusst angedeutet, dass die einzelnen Kompetenzbereiche untereinander verschiedenste Verbindungen und Beziehungen aufweisen.
Im Webinar wurde darauf hingewiesen, dass dieses Modell nicht als starre Vorgabe (“one size fits all”) missverstanden werden solle. Vielmehr müsse es für den jeweiligen Kontext angepasst werden. Während die Basiskompetenzen gleichsam den Kern der Profession ausmachen, kann nicht erwartet werden kann, dass Personalentwickler in allen 10 Kompetenzbereichen / Vertiefungsbereichen (areas of expertise) gleich bewandert sind.
Verzichtet wurde bei dieser Fassung des Kompetenzmodells auf das Ausweisen von Rollen für Personalentwickler. Hier hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die tatsächliche Ausprägung der Aufgabenbereiche in den Unternehmen sehr unterschiedlich ist und sich nicht gut auf wenige grundlgende Rollen reduzieren lässt.
Abschliessend vielleicht noch zwei persönliche Anmerkungen zum Kompetenzmodell:
- Lerntechnologien sind für mein Empfinden sehr prominent im Kompetenzmodell vertreten. Sie sind sowohl bei den Basiskompetenzen berücksichtigt (“Technologie-/Medienkompetenz”) als auch prominent mit dem Kompetenzbereich / Vertiefungsbereich (“Lerntechnologien”). Darüber hinaus sind Lerntechnologien in weiteren Kompetenzbereichen / Vertiefungsbereichen berücksichtigt (z.B. im Bereich “Didaktisches Design” mit dem Aspekt “Lerntechnologien analysieren / auswählen / nutzen” sowie auch in den Kompetenzbereichen “Talentmanagement” und “Wissensmanagement”).
- Es fällt auf, dass die Vertiefungsbereiche als “Competencies for Training & Development” und nicht etwa als Kompetenzbereiche für “Learning & Development”. Die im Webinar gelieferte Begründung (das Modell wurde in einer Arbeitsgruppe erarbeitet, an der Vertreter aus verschiedenen Weltregionen beteiligt waren und dass “training” auf globaler Ebene besser verstanden werde als “learning”) ist für mich nicht ganz nachvollziehbar. Ich hätte “Learning & Development” bevorzugt.