„Digitale Kompetenzen – Kompetenzentwicklung digital“ – Rückblick auf den 4. scil Trend- & Community Day 2017
Letzten Mittwoch, am 13.09.2017, fand unser 4. scil Trend & Community Day in Rorschach statt. In diesem Jahr waren wir im Würth Haus (Rorschach) zu Gast waren. Vom Ambiente her war das ein starker Kontrast zu letztem Jahr, als wir ja in der Kunstgiesserei Sitterwerk industriellen Charme erlebt hatten. Dieses Mal also eine sehr grosszügige und moderne Umgebung direkt am Bodensee. Das war auch gut so, denn mit knapp 70 Teilnehmenden waren wir eine deutlich grössere Gruppe als im letzten Jahr.
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Die Ausgangspunkte für diesen Tag wurden in den Fachbeiträgen mit jeweils etwas anderen Betonungen formuliert:
- Zum einen technologische Entwicklungen wie Mobile Computing, Cloud Computing, Internet der Dinge, Augmented- und Virtual Reality, Künstliche Intelligenz und nicht zuletzt dramatisch anwachsende Datenvolumen sowie Data-Analytics.
- Zum anderen Entwicklungen im Bereich Management wie eine stärkere Ausrichtung an den Kunden und dem Kundenerleben, mehr Flexibilität und Agilität sowie auch neue Organisations- und Arbeitsformen.
In den Tag gestartet sind wir mit einer kurzen Orientierung zum Themenfeld „Digitale Transformation und Personalentwicklung / L&D“. Ausgehend von übergreifenden Trends (z.B. ohne digitale Plattformen geht nichts) haben wir hier insbesondere die folgenden Handlungsfelder für L&D herausgestellt:
- Normative Grundlagen bzw. Leitlinien für die Personalentwicklung
z.B. Ausrichtung auf „Empowerment für eine digitale Arbeitswelt“ statt des Agierens als „Reparaturbetrieb“; - Gestaltung des Leistungsportfolios von L&D
z.B. Entwicklung von „Kompetenzen für eine digitale Arbeitswelt“; - Gestaltung des Lerner- bzw. Kundenerlebnisses
z.B. immersive Lernumgebungen oder der Einsatz von KI-basierten Lern-Bots; - Rollen, Prozesse und Infrastrukturen
z.B. integrierende „Learning Experience“-Plattformen und neue, spezialisierte Rollenprofile für Learning Professionals; - Wertbeitrag und Ertragsmechanik
z.B. Ertragsmodelle, die nicht mehr auf dem Vertrieb von einzelnen Kursen, sondern auf der Nutzung von umfangreichen Inhalte-Bibliotheken basieren.
Den anschliessenden Forschungsbericht stellte Sabine Seufert unter den Titel „Personal- und Persönlichkeitsentwicklung in der digitalen Welt“. Vor dem Hintergrund der eingangs angesprochenen Veränderungen stehen für die Personalentwicklung Geschäfts-Transformation und Geschäftsmodell-Innovation auf dem Programm. Sabine Seufert beleuchtete hierzu vier Gestaltungsbereiche: neue Lernformate (z.B. MOOCs), mobile (und zum Teil KI-basierte) Lernapplikationen, KI-basiertes Coaching und das Spannungsfeld von Personal- und Persönlichkeitsentwicklung in einer digitalisierten Arbeitswelt. Bei der Arbeit an diesen Gestaltungsbereichen gibt es noch Luft nach oben – dies zeigte sich, als wir die von Sabine Seufert behandelten Themen mit den Teilnehmenden über kurze Abfragen gespiegelt haben:
- die Nutzung von MOOCs bzw. SPOCs (eigene oder externen Drittanbietern) ist erst bei ca. 5% der Bildungsorganisationen etabliert;
- beim Einsatz von Lernapps auf mobilen Endgeräten sind die L&D-Bereiche etwas weiter – dies ist bei ca. 20% etabliert;
- im Hinblick auf einen künftigen Einsatz von KI-basierten Lerncoaches wird die grösste Herausforderung nicht etwa in der technischen Umsetzung sondern bei der Akzeptanz durch die Zielgruppen gesehen;
- und im Hinblick auf die Gestaltung der digitalen Transformation insgesamt stehen aktuell eher Einzelmassnahmen als kohärente Entwicklungsprogramme im Vordergrund:
Sich verändernde Kompetenzerfordernisse sind eine Dauerherausforderung für PE-Profis, das wird derzeit besonders deutlich. Aber wie damit umgehen?
Joël Krapf, L&D Spezialist bei der Schweizerischen Post und Doktorand an unserem Institut, stellte dazu das Projekt „SkillChange – Welche digitalen Kompetenzen brauchen wir bei der Post?“ vor.
Die Schweizerische Post geht das Thema „Kompetenzen für die digitale Transformation“ auf zwei Ebenen an:
- Auf der Ebene der Mitarbeitenden / Beschäftigten geht es
(a) um Kompetenzen für das Arbeiten mit digitalen Werkzeugen und um das Gewährleisten von Sicherheit in digitalen (Arbeits-)Umgebungen sowie
(b) um Schlüsselkompetenzen wie z.B. Offenheit für Neues und Lernfähigkeit. - Auf der Ebene der Gesamtorganisation geht es um das Bestehen und Wachsen in einer VUCA-Welt: das Gewährleisten von „dynamischer Stabilität“ auf der einen Seite und das Begreifen von Wandel als Chance auf der anderen Seite.
Ein Schlüssel für das Erreichen von organisationaler Agilität ist die etablierte Lernkultur. Joël Krapf stellte eine von ihm entwickelte Workshop-Sequenz vor, über die – ausgehend von dem von Marsick & Watson entwickelten Diagnose-Inventar ((Link)) – teamspezifische Handlungsfelder und Massnahmenkataloge entwickelt wurden. Ein Beispiel: in der Dimension „Empowerment von Mitarbeitenden“ das Handlungsfeld „Rollenverständnis“ und die klarere Formulierung der Rolle von Lab-Teilnehmenden.
Hier der Link zur Präsentation: Skill Change: Welche „Digitalen Kompetenzen“ brauchen wir bei der Post von Joël Krapf
In einem Kurzbeitrag haben wir von scil einige wenige Schlaglichter auf die Arbeit in unserem aktuell laufenden scil-Innovationskreis „Digitale Transformation – Folgen für L&D“ geworfen. Unsere zehn Unternehmenspartner arbeiten in drei Arbeitsgruppen an verschiedenen Einzelprojekten: beispielsweise an der Entwicklung eines Kompetenzmodells als Grundlage für die Überprüfung und Neu-Ausrichtung des Angebotsportfolios; an der Einführung von neuen Typen von Lernangeboten; oder an der Weiterentwicklung von Einzelprogrammen im Hinblick auf den zielführenden Einsatz von Lehr-Lerntechnologien.
Eines dieser Schlaglichter bezog sich auf die Nutzung von umfangreichen Inhalte-Bibliotheken für selbstgesteuertes Lernen und kuratierte Lernpfade. Reicht es aus, wenn L&D über entsprechende Plattformen kuratierte Sammlungen zu bestimmten Themen oder für bestimmte Beschäftigtengruppen zur Verfügung stellt? Wieviel Begleitung / Unterstützung braucht es bei welchen Zielgruppen? Braucht es orientierende Leitfragen, die den roten Faden über verschiedene einzelne Lernressourcen hinweg bilden? Braucht es explizite Aufforderungen, Zwischenstände im jeweils eigenen Lernprozess zu notieren und zu reflektieren? Hier ist noch vieles unklar. Angefangen von der Frage, wie solche Lernpfade dargestellt werden sollen, bis hin zur Gestaltung einer (eventuell erforderlichen) Lernbegleitung.
Nach der Mittagspause haben wir uns zunächst ganz analog inspirieren lassen – durch insgesamt drei Führungen zu den aktuellen Ausstellungen im Forum Würth (Link).
Unser diesjähriger Themen-Marktplatz hatte insgesamt sechs Stationen mit sehr unterschiedlichen Angeboten:
- Ulla Rinkes, Lisette Schenk-Gafner und Daniel Ramm stellten durch Poster-Präsentationen ihre Abschlussprojekte zum Diplomprogramm „Bildungsmanagement“ vor: die Einführung von Coaching; ein Einführungsprogramm für neue Mitarbeitende; und ein Marketing-Konzept für Kunden-Schulungen.
- Mobile Lernlösungen wurden von KnowledgeFox (Lernkarteikarte) und von Swiss Virtual Business School (Echo-App) vorgestellt.
- Eine Plattform zur Unterstützung von adaptivem Lernen wurde von area9learning aus Dänemark vorgestellt.
- Aus den Reihen unserer Alumni wurden eine Reihe von weiteren Projekten vorgestellt: Einrichtung einer Kreativ- bzw. Denkwerkstatt (Liechtensteinische Landesbank); Einführung von Live-Online Training (Schwäbisch Hall Training); Working out loud (Swisscom); Bots zur Unterstützung von Lernen (SAP Education).
Der letzte inhaltliche Beitrag an diesem Tag kam von Dr. Karin Vey vom IBM Forschungszentrum in Rüschlikon: „Die Zukunft von Arbeiten, Lernen und Führen – Künstliche Intelligenz und die Folgen“. Als Startpunkt wählte Karin Vey die exponentielle Zunahme der verfügbaren digitalen Daten (gegenwärtig ca. 2.7 Zettabyte – das entspricht in etwa der Kapazität von ca. 600 Milliarden DVDs). 80% davon sind unstrukturierte Daten ausserhalb von Datenbanken (Texte, Videos, Fotos, etc.). Kognitive Systeme wie z.B. IBM Watson können grosse Mengen dieser Daten verarbeiten und über Schnittstellen verschiedene Services verfügbar machen. Damit stehen uns künftig immer mehr „kognitive Assistenten“ für verschiedenste Aufgaben zur Verfügung. Die Ausgabe von Text in gesprochener Sprache und Echtzeitübersetzung zwischen verschiedenen Sprachen kennen wir heute schon. Gesichtserkennung und die automatisierte Analyse von Bildern in der klinischen (Tumor-)Diagnostik ebenfalls. Künftig wird es kognitive Assistenten aber auch in für uns noch ungewohnten Bereichen geben: bei der Umsetzung von klinischer Forschung in der Pharmazie; bei der Erstellung von ersten Arbeitsversionen von Trailern zu Kinofilmen (aktuell in der Umsetzung für den Film „Morgan“); oder als Entscheidungs-Unterstützungs-Systeme, etwa wenn es um die Bewertung von Unternehmen im Zusammenhang mit Fusionen und Firmenübernahmen geht.
Kognitive Systeme wie Watson können aber auch in Szenarien zum Einsatz kommen, die näher an unserem Arbeitsalltag im Feld Lehren, Lernen und Bildungsmanagement sind.
- z.B. ein virtueller Lernbegleiter, der eine personalisierte, kuratierte Lernumgebung zusammenstellt und dabei sich verändernde Geschäftsanforderungen berücksichtigt. IBM hat dies 2016 für seine ca. 375’000 Mitarbeitenden in der Applikation „MyLearning“ umgesetzt (hier ein kurzes Video dazu);
- z.B. ein virtueller Entwicklungs- bzw. Karriere-Coach (mehr dazu auf dieser Webseite);
- z.B. ein virtueller „Stimmungs-Beobachter“ in virtuellen Vorlesungen, der die vorherrschende Stimmung unter den Studierenden analysiert und für die Lehrperson repräsentiert (hier ein kurzes Video dazu).
Karin Vey stellte am Ende ihres Beitrags „AI“ („Artistic Intelligence“, nicht artficial intelligence) als künftige Kernkompetenz für Führungskräfte heraus. Künstler arbeiten häufig unter Rahmenbedingungen, die einer VUCA-Welt sehr ähnlich sind und sie sind besonders gut in der Lage, zu explorieren und zu experimentieren, ihren Wahrnehmungsraum zu erweitern, Spannungen und Mehrdeutigkeiten in kreative Lösungen umzusetzen und neue Wege zu gehen. Sie schliesst den Bogen zum Rahmen für unseren Tag im Würth Forum mit dem Hinweis, dass Kunst-basierte Interventionen (hier ein kurzer Blogbeitrag dazu) ein Weg sind, wie diese „Artistic Intelligence“ entwickelt werden kann.
Zum Abschluss des Tages stellten wir noch einige unserer neuen Pläne für das nächste Jahr vor. So werden wir demnächst interaktive Webinare als neues Format erproben. Bei einer ersten Durchführung Ende Oktober geht es anhand von drei Fallstudien um „Neue Organisationsformen für Learning & Development„. Ein zweites Entwicklungsthema, das wir verfolgen wollen, ist ein Benchmarking-Kreis zu „Kompetenzen für eine digitale Arbeitswelt“. Ziel ist die Modellierung dieser Kompetenzen, die gemeinsame Standortbestimmung und die Ableitung von Entwicklungsmassnahmen. Ein drittes Entwicklungsthema, bei dem wir Synergien zu Forschungs- und Entwicklungsarbeiten am ‚Institut für Wirtschaftspädagogik – Digitale Bildung & Betriebliche Bildung‘ erwarten, ist der Aufbau eines Zertifikatsprogramms „Digitale Bildung“, welches sowohl die im Corporate Learning einhergehenden Herausforderungen inhaltlich aufnimmt, als auch neue „digitale“ Lernformate erlebbar macht.
Abschliessend noch der Hinweis auf den Termin für unseren nächsten scil Trend- & Community Day: Mittwoch, 12.09.2018.
[…] Vey hatte auf unserem Community Day darauf verwiesen, dass IBM die KI-Plattform Watson zur Unterstützung beim Erstellen des […]