Persönliches Wissensmanagement als Arbeitsfeld für Learning Professionals?

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Die Sommerpause ist vorbei und ich bereite mich zur Zeit auf die scil Seminare in der zweiten Jahreshälfte vor. Im Zuge unserer Programmreform haben wir einige Module neu zugeschnitten, so auch unser Modul zum Thema „Informelles Lernen“, das jetzt auch das Thema „Persönliches Wissensmanagement“ integriert. Das Thema hat nicht nur viele Berührungspunkte zu informellem Lernen, sondern derzeit auch Konjunktur, wie etwa die zahlreichen Posts dazu auf dem Weiterbildungsblog von Jochen Robes zeigen.

Hier ein Auszug aus dem Reader zu unserem Seminar, in dem wir das Thema erläutern…

Wissensmanagement

Mit dem Globalisierungsschub in den 1980er und 1990er Jahren wurde für viele Unternehmen deutlich, dass sie den Produktionsfaktor Wissen besser und systematischer bewirtschaften müssen, um nachhaltig wettbewerbsfähig zu bleiben (vgl. North, 2011, S. 1). Wissen (über Prozesse, Produkte, Märkte, Kunden, etc.) wurde als Wett-bewerbsfaktor erkannt und mit Wissensmanagement entwickelte sich eine eigene Disziplin, die sich diesem Thema annahm. Mit der Publikation des umfangreichen Handbuchs von Pauleen und Gorman im Jahr 2011 beginnt sich nun ein neuer Arbeitsbereich zu etablieren: persönliches Wissensmanagement.

Mit Blick auf Unternehmen definiert North Wissensmanagement wie folgt:

„Wissensmanagement hat zum Ziel, Wissen optimal zu nutzen, weiterzuentwickeln und in neue Produkte, Prozesse und Geschäftsfelder umzusetzen. In Analogie zum Fi-nanzkapital soll das Wissenskapital vermehrt und dadurch der Unternehmenswert nachhaltig gesteigert werden. Wissensmanagement macht nicht an den Unterneh-mensgrenzen halt, sondern bezieht Kunden, Lieferanten, Allianzpartner („Wissensallianzen“) und weitere externe Know-how-Träger mit ein. (North, 2011, S. 3)

Ein bekanntes und einflussreiches Modell zur Umsetzung von (betrieblichem) Wis-sensmanagement wurde von Probst, Raum und Romhardt entwickelt. Dieses Modell stellt sechs Kernprozesse des Wissensmanagements in den Mittelpunkt (vgl. Abbildung 1):

Bausteine Wissensmanagement Probst et al

Abbildung 1: Bausteine des Wissensmanagements (Quelle: Probst, Raub, & Romhardt, 2012, S. 34)

Für das neuere Arbeitsgebiet „persönliches Wissensmanagement“ liegen eine ganze Reihe unterschiedlicher Definitionen vor, die in unterschiedlicher Weise Beziehungen zu angrenzenden Themenfeldern wie etwa informelles Lernen, Informationsmanagement oder betriebliches Wissensmanagement herstellen. Persönliches Wissensmanagement wird beispielsweise verstanden als

  • das systematische Handhaben von personalem und öffentlichem Wissen durch Ein-zelpersonen auf der Grundlage von geeigneten Methoden und Werkzeugen (Reinmann & Eppler, 2008, S. 31);
  • „ein Bündel von Konzepten, Methoden und Instrumenten zur Strukturierung und Ord-nung von individuellen Wissensbeständen, welche es den Mitarbeitern ermöglicht, Verantwortung dafür zu übernehmen, was sie wissen und wen sie kennen.“ (Lembke, 2004)
  • „ein von den Einzelpersonen ausgehender Ansatz für betriebliches Wissensmanage-ment, der das Konzept des persönlichen Wissensnetzwerks (Personal Knowledge Network) in den Mittelpunkt stellt“ (Chatti, 2012, S. 841).

Persönliches Wissensmanagement als Aufgabe für Learning Professionals?

Weiterbildungs- bzw. Personalentwicklungsbereiche in Unternehmen sehen sich oft nicht mehr in der Lage, für alle der z.T. zahlreichen Beschäftigtenprofile im Unternehmen geeignete Entwicklungsangebote anzubieten (siehe z.B. Carliner 2012 S. 8f. für eine kritische Diskussion des Investitionsniveaus in der betrieblichen Weiterbildung).  Im Hinblick auf Kompetenz- und Wissensentwicklung werden zunehmend Eigeninitiative und Eigenverantwortung eingefordert. Vor diesem Hintergrund braucht es entsprechende Lern-Kompetenzen auf Seiten der Mitarbeitenden. Natürlich kann man argumentieren, dass Mitarbeitende „schon irgendwie“ in der Lage sind, selbständig relevante Texte (z.B. Skripten, Zeitschriftenartikel oder Lehrbücher) oder andere Wissens- / Lernmedien (z.B. YouTube-Videos oder Weblog-Einträge) zu finden und zu bearbeiten. Die Erfahrung lehrt aber, dass auch hoch qualifizierte Mitarbeitende beispielsweise in Technologie-Unternehmen diesbezüglich ein nur wenig entwickeltes Handwerkszeug mitbringen. Hier sind Learning Professionals gefordert, entsprechende Unterstützung beispielsweise in Form von Angeboten zu Lernstrategien und Methoden für das persönliche Wissensmanagement zu leisten.

Rahmenmodelle für persönliches Wissensmanagement

Für das Arbeitsfeld Persönliches Wissensmanagement liegen bereits verschiedene Rahmenmodelle vor. Harold Jarche, beispielsweise, formuliert ein einfaches Modell, das letztlich auf drei grundlegenden Schritten basiert:

1.    „seek“: hier geht es um das Auffinden von Informationen und ein besonderes Augenmerk gilt verschiedenen Techniken und technischen Hilfsmitteln für das Filtern.
2.    „sense“: die verfügbaren Informationen überprüfen, vergleichen, bewerten und in einen sinnhaften Zusammenhang stellen.
3.    „share“: das Teilen mit anderen durch Schreiben und Veröffentlichen, aktives Vermitteln in Gesprächen, Workshops oder auf anderen Wegen.

Abbildung 2: Personal Knowledge Mastery: seek – sense – share (vgl. Jarche.com/pkm)

Ein anderes, stärker von der pädagogischen Psychologie bzw. Didaktik geprägtes Modell für persönliches Wissensmanagement stellt 3 Typen von mentalen Basisprinzipien in den Mittelpunkt (Reinmann und Eppler 2008):

  • kognitive Basisprinzipien:  z.B. „Elaborieren“ bzw. Anreichern von eigenen Wissensstrukturen;
  • metakognitive Basisprinzipien:  z.B. „Planen“ von eigenen Lernaktivitäten;
  • emotionale Basisprinzipien:  z.B. „sich selbst belohnen“ für geleistete Lernarbeit,

Darum herum werden Aktivitäten zwischen den zwei Polen „Produktion“ und „Rezeption“ gruppiert (z.B. „erzählen“, „beobachten“, exzerpieren“, „visualisieren“) und schliesslich noch materiale und soziale Umwelten mit Wissensobjekten einerseits und Wissensträgern andererseits gruppiert (vgl. die folgende Abbildung).

Pers-Wiss-Mgmt Reinmann-Eppler Modell 1

Abbildung 3: Persönliches Wissensmanagement: mentale Basisprozesse, Aktivitäten und Umweltdimensionen (eigene Darstellung in Anlehnung an Reinmann & Eppler, 2008, S. 38–48)

Was kann persönliches Wissensmanagement leisten?

Welche Ziele können denn nun im Rahmen von persönlichem Wissensmanagement sinnvoll verfolgt werden? Reinmann / Eppler sehen hier die folgenden Zieldimensionen (Reinmann & Eppler, 2008, S. 54f.):

  • die Entwicklung von Fachkompetenzen (z.B. Software-Entwicklung),
  • die Entwicklung von Schlüsselkompetenzen (z.B. Medienkompetenz),
  • konvergentes (analytisches) Problemlösen (z.B. Analyse von Software-Code),
  • divergentes (kreatives) Problemlösen (z.B. Formulierung eines Leitbilds).

Methoden für das persönliche Wissensmanagement

Reinmann und Eppler (2008) liefern in ihrem Buch eine umfangreiche Sammlung von Arbeitsmethoden für persönliches Wissensmanagement. Diese lassen sich anhand eines Verlaufsmodells übersichtlich darstellen. Das daraus gewonnene Bild (vgl. die Abbildung unten) zeigt, welche Methoden wann von besonderer Relevanz sind. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass fast alle Methoden sinnvoll auch in anderen Phasen genutzt werden können.

Übersicht Methoden Pers-Wiss-Mgmt 1

Abbildung 4: Methoden für das persönliche Wissensmanagement (Quelle: eigene Darstellung)

Die einzelnen Methoden beinhalten ein strukturiertes, häufig schrittweises Vorgehen zur Bewältigung der verschiedenen Aufgaben im Zusammenhang mit persönlichem Wissensmanagement. Die folgende Abbildung zeigt am Beispiel der Methode „Minto-Pyramide“ ein in Anlehnung an Reinmann und Eppler erstelltes Methodenblatt:

Minto-Pyramide

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Abbildung 5: Methodenblatt Minto-Pyramide

Anwendungsszenarien für persönliches Wissensmanagement

Persönliches Wissensmanagement kann in verschiedenen Szenarien zum Tragen kommen. Beispiele sind:

  1. das rasche Erschliessen eines neuen Wissensgebiets, beispielsweise bei der Vorbereitung eines Workshops;
  2. das Bewältigen der täglichen Informationsflut am Arbeitsplatz; und
  3. das Bewältigen einer beruflichen Neuorientierung (vgl. Reinmann & Eppler, 2008, S. 154–161).

Die folgende Abbildung zeigt beispielhaft für das erste Szenario, welche Methoden und Werkzeuge eingesetzt werden können, wenn es darum geht, schnell ein neues Wissensgebiet zu erschliessen und für einen Workshop aufzubereiten.

Pers-Wiss-Mgmt Reinmann Eppler Szenario 1

Abbildung 6: Methoden und Werkzeuge für das Szenario „Neues Wissensgebiet erschliessen“ (eigene Darstellung nach Reinmann & Eppler, 2008, S. 154-156)

 

Referenzen

Carliner, S. (2012). Informal learning basics. Alexandria, VA: ASTD Press.

Chatti, M. A. (2012). Knowledge management: a personal knowledge network perspective. Journal of Knowledge Management, 16(5), 829–844.

Jarche, H. (2013b, Oktober 29). PKM in 34 pieces [Weblog]. Abgerufen 29. November 2013, von http://www.jarche.com/2013/10/pkm-in-34-pieces/

Lembke, G. (2004, November 9). Persönliches Wissensmanagement. Abgerufen 7. August 2015, von http://www.community-of-knowledge.de/beitrag/persoenliches-wissensmanagement/

North, K. (2011). Wissensorientierte Unternehmensführung Wertschöpfung durch Wissen (5., aktualisierte und erweiterte Auflage). Wiesbaden: Gabler Verlag / Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, Wiesbaden.

Probst, G., Raub, S., & Romhardt, K. (2012). Wissen managen: Wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource optimal nutzen (7. Aufl. 2012, Korr. Nachdruck 2013). Wiesbaden: Gabler Verlag.

Reinmann, G., & Eppler, M. (2008). Wissenswege. Methoden für das persönliche Wissensmanagement. Bern: Huber.

 

Weitere Informationen zum scil Seminar „Wissensmanagement und Informelles Lernen“.

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