In einem Beitrag für die Zeitschrift „Personalführung“ (Heft 3, 2015) entwirft Karlheinz Schwuchow (Center for International Management Studies, Hochschule Bremen) das Bild einer „lehrenden“ Organisation (als Neu-Interpretation des Konzepts der „lernenden Organisation“).
Bei einer lehrenden Organisation steht das informelle Lernen im Prozess der täglichen Arbeit im Vordergrund. Folglich gilt es, die tägliche Arbeitserfahrung lern- & qualifikationsförderlich zu gestalten. Damit verbunden ist ein grundlegender Rollenwechsel für die Personalentwicklung: weg vom Lieferanten isolierter Qualifikationsprogramme hin zu einem Katalysator für Lernen im Prozess der Arbeit.
Bei der Umsetzung von arbeitsintegriertem Lernen kommt den Führungskräften eine zentrale Rolle zu – und zwar auf allen Ebenen. Die Rolle einer Führungskraft muss daher als „kontinuierliche Entwicklungsbegleitung“ definiert werden.
Führungskräfte, so schreibt Schwuchow, „müssen als Personalentwickler vor Ort agieren und einen hohen Anteil an der operativen Mitarbeiterentwicklung übernehmen.“ (S. 23)
Dies beinhaltet insbesondere die Weitergabe von Wissen und Erfahrung einerseits und die Vermittlung von Normen und Werthaltungen andererseits.
In einer lehrenden Organisation entwickeln die Führungskräfte einer Ebene jeweils die Führungskräfte der nächsten Ebene und daraus entsteht eine Kaskade der Führungskräfteentwicklung, eine „leadership engine“ im Sinne von Tichy & Cohen (1997). Die Weitergabe der eigenen Erfahrungen durch Führungskräfte wird zum zentralen Beitrag zur Zukunftssicherung des Unternehmens.
Für die Personalentwicklungsbereiche sind damit neue Aufgaben verbunden. Sie müssen insbesondere dafür sorgen, dass Führungskräfte auf ihre Rolle als „Lehrende“ vorbereitet sind und diese auch erfolgreich umsetzen können. Dies ist insbesondere auf den zweiten und dritten Führungsebenen eine grosse Herausforderung, da diese Führungskräfte ihre eigene Fähigkeit, Mitarbeitende weiterzuentwickeln und Veränderungsprozesse zu gestalten, als gering einschätzen.
In Anlehnung an die Thesen des Center for Creative Leadership stellt Schwuchow in seinem Beitrag abschliessend folgende Elemente zukunftsorientierter Mitarbeiterentwicklung heraus:
- Erfahrungsbasierte Entwicklung neuer Denk- und Handlungsmuster an Stelle der Vermittlung von Inhalten;
- Autonomie und Eigenverantwortung im Hinblick auf die persönliche Entwicklung (als Voraussetzung für das Entstehen von intrinsischer Motivation);
- Bewertung von Führungskräften auf der Grundlage ihres Einflusses und ihrer Leistung, nicht auf Basis ihrer Stellung in der Hierarchie;
- Schaffung einer 360°-Entwicklungsarchitektur, die die Mitarbeitenden, deren Kollegen und deren Führungskräfte in gleicher Weise einbindet.
Quelle / Verweis:
Personalführung, Heft 3, 2015, S. 20-25