Datatekturen für die Koproduktion in Lernprozessen

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Bildungsdienstleistungen bzw. Lernprozesse basieren auf einer Ko-Produktion von Bildungsverantwortlichen einerseits und Teilnehmenden andererseits. Ohne die aktive Mitarbeit der Lernenden gelingt kein Lernprozess wirklich gut: Vorlesungen im Audimax werden lebendig, wenn gute Fragen aus dem Publikum kommen und (Weiterbildungs-)Seminare profitieren ebenso von relevanten Beiträgen und Kurzberichten der Teilnehmenden.

Die verfügbaren Datatekturen (d.h., die Verbindung von physischen Lernräumen einerseits und Dateninfrastrukturen wie Netzwerken oder Projektionsflächen andererseits, vgl. Meyer et al. 2012) unterstützen eine Ko-Produktion in der Regel nur in den folgenden Formen: mündliche Beiträge der Teilnehmenden, Kartenabfragen auf Pinwänden, Skizzen auf Wandtafeln oder kurze Ausarbeitungen auf Flipcharts. Zwar bringen Teilnehmende immer häufiger Notebooks und Tablets mit in die Lehrverantaltungen / (Weiterbildungs-)Seminare und können auf dieser Grundlage auch inhaltliche Beiträge einbringen. Aber die Projektionsflächen für Informationen werden in der Regel von den Lehrpersonen / Seminarleitenden monopolisiert.

Bildquelle: http://www.universities-weblog.com/50226711/business_schools_chase_rankings_reduce_quality.php;

In einem Zeitalter, in dem immer mehr Ressourcen digital verfügbar sind (entweder im WWW oder eben auf privaten Rechnern bzw. Tablets) ergibt sich immer häufiger die Situation, dass die Teilnehmenden an Lernprozessen interessante zusätzliche Ressourcen kennen oder über diese verfügen, diese aber nicht schnell und unkompliziert in den Lernprozess einbringen können:

  • Teilnehmende an einer Weiterbildung zu Bildungsmarketing kennen ein interessantes Video auf YouTube, das eine gerade diskutierte Problemstellung veranschaulicht;
  • Teilnehmende an einer Weiterbildung zu Qualitätsmanagement verfügen über eine Grafik / Visualisierung zu einem eigenen Qualitäts-Prozess, den sie – verbunden mit einer Frage – in die Diskussion einbringen möchten;
  • Teilnehmende an einer Lehrveranstaltung haben Ausarbeitungen zu Aufträgen zuhause digital erstellt (z.B. in Office Dokumenten) und sollen diese nun in der nächsten Sitzung einbringen und zur Diskussion stellen;
  • usw.

Improvisation

Natürlich kommen wir mit dieser Situation auch bisher irgendwie zurecht: die Teilnehmenden rufen den Link zur YouTube-Ressource in den Raum und der Seminarleiter gibt diesen in seinem an den Datenprojektor angeschlossenen Computer ein; die Teilnehmenden skizzieren den eigenen Qualitäts-Prozess am Flipchart; die Studierenden kommen im Seminarraum nach vorne, schliessen ihr Notebook an den Datenprojektor an und zeigen dann ihre Ausrbeitung. Aber oft genug gibt es auch Hürden, die diese Wege ineffizient werden lassen: Tippfehler bei der Eingabe einer URL, langwieriges Nachzeichnen von Skizzen oder fehlende Adapter für den Anschluss des eigenen Geräts an den Datenprojektor im Kursraum.

Erweiterte Raumausstattung

Sofern Bildungsinstitutionen über die nötigen finanziellen Ressourcen verfügen, können sie ihre Lernräume aufrüsten. Beispielsweise, indem sie Seminarräume mit mehreren Projektionsflächen ausstatten. Auf diese Weise können verschiedene Arbeitsgruppen gleichzeitig an einer Ausarbeitung zu einem Auftrag arbeiten und ihre Ergebnisse dann anschliessend im Plenum zur Diskussion stellen.

Deloitte-University_Lernraum

Bildquellen: http://icampus.mit.edu/?s=teal; http://www.allisonrossett.com/2012/04/30/deloitte-university-what-were-they-thinking/;

Der neue “scale-up”-Physik-Hörsaal der George Washington Universität in Washington D.C. verfügt über Kameras an den Decken, zusätzliche Monitore und eine Kontrolleinheit, über die Arbeitsergebnisse der Studierenden von allen Tischen für alle sichtbar gemacht werden können. Quelle: http://www.educause.edu/ero/article/evolving-classroom-creating-experiential-learning-spaces

Hardware

Eine andere, vermutlich weniger kostenintensive Variante besteht darin, Kurs- oder Seminarräume mit drahtlosen “Präsentationssystemen” auszustatten. Ein Anbieter solcher Produkte ist beispielsweise die Firma Barco, die hierzu zwei unterschiedlich leistungsfähige Varianten (“Clickshare”) anbietet. Hierbei stehen den Teilnehmenden zwei oder vier Adapter zum Anschluss an die USB-Schnittstelle zur Verfügung und über einen Klick auf den Knopf am Adapter kann der eigene Bildschirminhalt auf den Datenprojektor im Kurs- / Seminar- / Besprechungsraum gesendet werden. Bei der leistungsfähigeren Variante ist dabei auch die Darstellung von bis zu vier Bildschirminhalten verschiedener Nutzer gleichzeitig in einem geteilten Bildschirm möglich. Damit können dann zum Beispiel Ausarbeitungen verschiedener Arbeitsgruppen nebeneinander gezeigt und im Vergleich besprochen werden. Das funktioniert recht einfach und sehr schnell, wie ich selbst schon erfahren konnte.

Bildquellen: www.barco.com; http://www.haveitmade.be/barco-clickshare

Software

Kostengünstigere Lösungen sind auf der Grundlage von Software für screensharing möglich. Hier gibt es eine sehr grosse Anzahl von Möglichkeiten (vgl. die tabellarische Übersicht auf dieser Seite: http://en.wikipedia.org/wiki/Comparison_of_remote_desktop_software). Bei einer solchen Lösung ist aus meiner Sicht besonders wichtig, dass die Installation schnell und unproblematisch – am besten nur innerhalb einer Browser-Session – möglich ist und die Lizenzkosten gering sind. Schliesslich müssen bei den hier besprochenen Szenarien auch die Studierenden / Kursteilnehmenden diese Software verwenden. Ich habe im Rahmen einer Lehrveranstaltung einmal screenleap getestet. Diese Lösung kann im Rahmen eines Freemium-Lizenzmodells mit eingeschränktem Funktionsumfang kostenlos genutzt werden und für Lehrpersonen an Hochschulen wird (auf Anfrage) die maximal mögliche Nutzungsdauer auf zwei Stunden / Tag heraufgesetzt. Wichtig ist zu beachten, dass im Rahmen einer laufenden Sitzung die Rollen schnell getauscht werden können – schliesslich soll die Lösung ja dabei unterstützen, Inhalte einzelner Teilnehmender für die gesamte Kurs- / Seminargruppe sichtbar zu machen. Dies geschieht, indem zunächst die Lehrperson eine sharing-session aufbaut und dann die Berechtigung zum Teilen des Bildschirms an eine(n) andere(n) Teilnehmende(n) übergibt. Diese(r) muss dann selbst ein Plugin im Browser starten und kann dann seinen / ihren Bildschirminhalt an die Lehrperson übertragen – die ja über den Datenprojektor diese Inhalte für alle Teilnehmenden sichtbar machen kann.

Und schliesslich gibt es noch die Möglichkeit, verbreitete Softwarelösungen wie etwa virtuelle Besprechungs- oder Klassenräume (z.B. Webex, Lync, Adobe Connect) für ein solches Screensharing im Rahmen von Präsenzsitzungen (zweckentfremdet) zu verwenden. Auch mit diesen Lösungen sind Rollenwechsel bezüglich der Präsentation von Inhalten leicht möglich.

In der Praxis ist bei diesen Software-basierten Lösungen zu beachten, dass die Kurs- / Seminarteilnehmenden auf ihren Rechnern über aktuelle Betriebssystem-Versionen und Browser-Versionen (und zum Teil auch über Adobe Flash) verfügen. Dies hatte ich bei meinen ersten Versuchen stillschweigend vorausgesetzt, musste dann aber erfahren, dass dies keineswegs immer so ist. Damit nicht viel Zeit verloren geht und die Interaktion keinen Bruch erfährt, bis das Teilen von Bildschirminhalten im Kurs- / Seminarraum endlich gelingt, ist eine Anfangsinvestition (eine kurz Einführungsphase mit technischen Hinweisen) zu Beginn eines Kurses oder Lehrgangs erforderlich.

Verweise:

Meyer, T., Meisel, T., & Schuetze, K. (2012). Education Design: Media, Learning, Space. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 7 (1), 146–151.

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