Fragt man bei Schülern und Studierenden nach, was für sie eine Innovation im Bildungsbereich ist, bekommt man relativ rasch die Antwort: “etwas Neues”. Hakt man nach und fragt nach Beispielen, folgt Schweigen oder ein leises “Apple”. Ein Schulleiter berichtet davon, dass er an zwei Teilschulen ein Entwicklungsbudget für Lehrpersonen zur Verfügung gestellt hat, damit sie Innovationen im Unterricht entwickeln können. In einer Teilschule sei dies sehr gut aufgenommen worden, in einer anderen jedoch sei dies auf Ablehnung gestoßen. Die Lehrpersonen fühlten sich vor den Kopf gestoßen, denn sie fragten sich, ob das, was sie bisher machten, nicht innovativ sei.
Das erste Beispiel zeigt, dass Innovation auch im Bildungsbereich häufig mit technologischem Fortschritt gleichgesetzt und auf kreative Produkte in schickem Design reduziert wird. Das zweite Beispiel veranschaulicht, dass Innovationen Akzeptanz in einem System benötigen und dass die Beteiligten bereit sein müssen, etwas Neues auszuprobieren. Für diejenigen, die Innovationen implementieren sollen, ist mit Innovationsinitiativen (implizit und ggf. ungewollt) eine Kritik an Bestehendem verknüpft. In diesem Zusammenhang wird häufig eine fehlende Entwicklungs- und Erprobungskultur in Schulen bemängelt (Ebner, 2005, S. 11): „die Bereitschaft, weitere Optionen zu generieren, zu erproben und daraus zu lernen, ist unterentwickelt. „Experimentieren“ ist tendenziell negativ konnotiert“.
In der betrieblichen Bildung ist die Verwendung des Begriffs Innovation häufig ein Schachzug im Kampf um knappe Ressourcen. „Innovation“ bzw. „innovativ“ wird daher schon fast inflationär gebraucht, so dass kritisch zu fragen ist, inwieweit der Begriff immer mehr zur Worthülse gerät. Die maßgeblichen Treiber für pädagogische Innovationen sind dabei häufig die Falschen: Kosteneinsparungen und Technologien. Dabei liefert im Zuge der stetigen Bedeutung der Innovationsfähigkeit von Unternehmen insbesondere die Weiterbildung, ein breites empirisches Feld für innovative Impulse. Allerdings ist in diesem Bereich ein Theoriedefizit zu konstatieren: „Zwischen einer durchaus innovativen Praxis der Beförderung betrieblichen Lernens einerseits und der theoriegeleiteten Re-Interpretation vorfindlicher Praxis andererseits klafft eine große Lücke.“ (Rebmann & Tenfelde 2008, S. V).
Die Frage „Was ist eine Innovation im Unterricht, in Schulen oder Aus- und Weiterbildung?“ ist somit grundsätzlich nicht leicht zu beantworten. In der semantischen Vielfalt des Innovationsbegriffes liegt die Gefahr grundlegender Missverständnisse in Forschung und Praxis. In der Innovationsforschung wird daher die Vorgehensweise vorgeschlagen, den Begriff Innovation im jeweiligen Kontext durch eine Vielzahl von interpretationsfähigen Dimensionen zu beschreiben, auch wenn er dadurch nur relativ unscharf identifiziert werden kann:
a) Inhaltliche Dimension: Was ist der Gegenstand von Innovation?
b) Normative Dimension: Ist das Neue erstrebenswert?
c) Subjektive Dimension: Neu für wen?
d) Prozessuale Dimension: Wann beginnt, wann endet die Neuerung?
In der Bildungsforschung nimmt „Innovation“ als Thema bislang nur eine randständige Position ein, auch wenn es nicht neu ist und bereits seit den 70er Jahren das Innovieren als Aufgabe von Lehrpersonen wissenschaftlich diskutiert wurde. Welche Rolle die Forschung übernehmen kann, wenn es um Innovationen in der Bildung geht – ist für mich persönlich eine zentrale Frage, die meine Forschungsausrichtung bestimmt – und auf diese Frage möchte ich daher in einer Blog-Serie in der nächsten Zeit näher eingehen.
Ebner, H. (2005). Management von Innovationsprozessen in Schulen. bwp@ Berufs- und Wirtschaftspädagogik – online spezial, 2, 1–13. Abgerufen von http://www.bwpat.de/spezial2/ebner_spezial2-bwpat.pdf
Rebmann, K. & Tenfelde, W. (2008). Betriebliches Lernen: Explorationen zur theoriegeleiteten Begründung, Modellierung und praktischen Gestaltung arbeitsplatzbezogenen Lernens. München und Mering: Rainer Hampp.
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