Zum Kompetenzbegriff: Braucht es überhaupt Kompetenzen? Oder: gibt 3 + 2 immer 5?

Am 3. Dezember fand das dbb Forum in Berlin statt – zum Thema „Qualität in der dienstlichen Fortbildung“. Leider konnte ich nur am ersten Vormittag dabei sein (wegen meinen eigenen Vorlesungen), aber alle Unterlagen sind online verfügbar:

http://www.dbbakademie.de/offenes-programm/redaktioneller-bereich/4-fachkongress-qualitaet-in-der-dienstlichen-fortbildung/nachbericht.html

Ziemlich unterhaltsam war das Referat von Manfred Becker zum Thema „Kompetenz – Allheilmittel aus dem Wunschkatalog der Personalentwicklung“. Auf humorvolle Art und Weise hinterfragt er kritisch, ob es ein Kompetenzmanagement überhaupt benötigt. Denn letztlich reiche ein Performanzmanagement seiner Ansicht nach (da man Kompetenzen eh nicht messen kann).

In seinem Vortrag steigt er dabei in sein Beispiel ein – diese Folie fehlt nun leider bei seiner Online Version. Drei junge Herren sind darauf zu sehen (suggerieren mehr Muskeln als Hirn, im Hintergrund sieht man Fitness-Geräte ;-), die über die Frage nachdenken: was gibt 3 + 2?

Die Pointe würde Herr Becker zum Ende seines Referates bringen – ich war gespannt auf das Ende. Im Grunde genommen war es auch eine seiner Kernbotschaften: „Vom Ende her denken“ (Performanz ist, was zählt).

An der Oberfläche betrachtet, scheint der Trend zur Kompetenzorientierung und damit einhergehend die Anforderung, die Bildungsinhalte und -ziele viel konsequenter aus der Lernendenperspektive zu beschreiben, auf allen Bildungsstufen ein einheitliches Kompetenzverständnis zu suggerieren. Differenzierter betrachtet, liegen allerdings unterschiedliche Ansätze des Kompetenzbegriffes zugrunde. In Schulen herrscht das Verständnis eines kognitionspsychologischen Kompetenzbegriffes vor. Danach verbindet der Begriff Kompetenz die Wissens- und Könnensebene, um zu verdeutlichen, welche Fähigkeiten und Fertigkeiten die Lernenden in Bildungsprozessen erwerben sollen (nach Weinert, 2001). In der beruflichen Bildung liegt hingegen ein handlungstheoretisches Kompetenzverständnis vor. Dieser Kompetenzbegriff definiert sich vom Anwendungsbereich her und versteht Kompetenz als Fähigkeiten und Bereitschaft, welche Menschen benötigen, um komplexe Anforderungen in beruflichen und alltäglichen Situationen zu erfüllen. Dazwischen liegt schon ein Utnerschied, das in dem Referat sehr deutlich heraus kam.

 Das Referat von Herrn Becker endet mit der Auflösung. Während er im Mittelteil seiner Präsentation auf einen handlungsorientierten Kompetenzbegriff zurückgriff (betriebliche Weiterbildung), schwenkt er zum Schluss zur Schule, um sein zentrales Statement abzugeben – vom Ende her denken. Die Auflösung seiner anfangs gestellten Frage ist daher etwas enttäuschend. Den drei jungen Männern legt er die u.a. Antworten in den Mund:

–        der erste sagt 3 + 2 = 5
–        der zweite sagt 3 + 2 = 4 -> aber Lehrpersonen in der Schule honorieren dies positiv, ist ja auch nah dran
–        der dritte sagt: 3 + 2 = sag ich nicht – auch dies wird pointiert als Stärke aus Sicht der Kompetenzorientierung hervorgehoben.

Schade – dachte ich mir am Ende.

Anbei konstruiere ich einen Fall, den ich eigentlich viel passender fände – denn schliesslich ging es um die betriebliche Weiterbildung.
Fall: In einem Rettungsboot sind nur 4 Plätze. Eine Familie: Mutter, Vater, Kind, sowie zwei Singles wollen gerettet werden. Wie würden Sie entscheiden?

a)       3 + 2 = 5 – einer muss die Rettungsweste anziehen und auf Rettung warten. Am besten der Vater, oder einer der beiden Singles, evtl. der, der am fittesten ist, oder der, der sich freiwillig meldet. Oder es wird gelost… 3 + 2 gibt unumstösslich 5 – konvergentes Denken, ich suche die Lösung in einem vorgegebenen Rahmen, ich überlege dann, wie möglichst „fair“ nach ethischen Wertvorstellungen entschieden werden kann.
b)       3 + 2 = 4 – es wird nach einer Lösung gesucht, in der die 4 Plätze von 5 genutzt werden können. Das Kind kann sich auf den Schoss der Eltern setzen, man kann noch überlegen, wie sich die Personen am besten setzen, das Kind evtl. quer nehmen, damit das Rettungsboot nicht kentert – Divergentes Denken, kreativ kann man werden aus der Not heraus, das braucht Mut -> es geht um die Problemlösung, was ist das übergreifende Ziel? Alle Menschen retten.
c)       die Lösung „sag ich nicht“ bedeutet: ich weiss es nicht, ich kann es nicht entscheiden. In meiner Dienstvorschrift steht dazu nichts drin. Entscheiden müssen es andere – der Chef. In meinem jährlichen Personalgespräch werde ich auch nicht danach beurteilt, ob ich das mache. Ich sage lieber nichts, da kann ich nichts verkehrt machen und befolge alle Anweisungen ganz korrekt. Übergreifendes Ziel ist, die eigene Haut zu retten…

 Wer ist kompetent? Wer ist am wenigsten kompetent? Was wird man wohl mit „reinem“ Performanzmanagement am stärksten fördern: a), b) oder c) ?

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